Schwarmkraftwerke, Einsparkraftwerke,
Mini-Stadtwerke und Stromallmenden
Energiewende selber machen
MioSol ebnet den Weg zum eigenen Kraftwerk, ja sogar zum eigenen Stadtwerk. Das klingt ersteinmal unglaublich. Aber wer aktuelle Daten zum Stromverbrauch und zur Stromproduktion bündeln, vernetzen und bilanzieren kann, der kann im Grunde genommen das Wesentliche, was ein Stadtwerk auch macht.
Strom funktioniert wie ein See
Man kann Strom mit einem See vergleichen, der Zu- und Ableitungen hat. Sowohl die Rohre, in denen Wasser abfließt, als auch die Zuleitungen, durch die Wasser hineinfließt, werden je nach Bedarf mehr oder weniger geschlossen. Die Aufgabe besteht nun darin, den Wasserspiegel immer auf gleicher Höhe zu lassen. Je nachdem wieviel Wasser abfließt, muss ein Aufpasser dafür sorgen, dass die Zuflüsse zum See geöffnet oder geschlossen werden. in den "Stromsee" speisen viele Kraftwerke ein, je nachdem, wer sie beauftragt oder gebaut hat. Hier wird der Wasserspiegel "Stromspannung" genannt und die Kraftwerke entsprechen größeren und kleineren Zuleitungen. Man unterscheidet bei Strom zwischen "Leistung" und "Verbrauch". Leistung (ausgedrückt in Kilowatt, kW) entspricht der Dicke eines Rohres, durch das schnell Wasser in den See gepumpt wird, damit der Wasserspiegel gleich bleibt. Verbrauch (ausgedrückt in Kilowatt-Stunden, kWh) entspricht der Zeit, in der das Rohr geöffnet bleiben muss, um Wasser in den See zu speisen. Je höher zu einem bestimmten Zeitpunkt die Gesamtnachfrage nach Strom ist, desto mehr Leistung wird also von dem Stromnetz abgefragt. Entsprechend mehr Stromleistung muss dann andererseits durch Kraftwerke bereitgestellt werden. Ein Beispiel: Bei einer Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer schauen Abermillionen Menschen dem Endspiel im Fernsehen zu. In der Halbzeit werden viele Menschen zum Kühlschrank gehen. Kurzfristig springen Tausende von Kühlschränken an, um ihre Kühlung auf einer bestimmten Temperatur zu halten. Das führt zu einer hohen zusätzlichen Nachfrage nach Stromleistung. Deshalb springen schnell Stromkraftwerke an, die die Stromspannung im Netz aufrechterhalten, in dem sie zusätzliche Stromleistung bereitstellen.
Schwarmkraftwerke
Wenn z.B. ein gemeinsamer rechnerischer Topf gebildet wird, in dem die jeweilige Stromproduktion von mehreren Photovoltaik-Anlagen, Mikro-Blockheizkraftwerken oder kleinen Biogas-Anlagen kombiniert wird, dann entsteht ein sogenanntes "Schwarmkraftwerk". Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Kraftwerk befindet sich ein solches Schwarmkraftwerk nicht nur einen Ort, sondern ist verteilt über verschiedene Orte - weshalb es auch "virtuelles Kraftwerk" genannt wird. Es kann jedoch Strom liefern, dessen Liefermenge sich berechnen lässt.
Einsparkraftwerke
Umgekehrt lässt sich aber auch durch koordiniertes Stromsparen ein Kraftwerk aufbauen: Wenn Stromverbraucher sich in großer Zahl verabreden, genau dann keinen Strom zu verbrauchen, wenn andere ihn brauchen, bedeutet das, dass weniger Stromleistung für den "Stromsee" durch Kraftwerke bereitgestellt werden muss. Man nennt das "Einsparkraftwerk", denn für den "Stromsee" ist die Wirkung so, als ob zusätzlich ein Kraftwerk angesprungen sei. Geschäfte mit solchen Einsparungen gibt es bereits auf dem Strommarkt. Bisher sind es große Industriebetriebe, die gegen Geld anbieten, zu bestimmten Zeiten ihre Maschinen nicht anzuschalten. Der Verkaufspreis orientiert sich daran, was dadurch gespart wird, dass ein Stromkraftwerk nicht angeschaltet wurde. Prizipiell ist es möglich, dieses Verfahren auszuweiten: Sobald Haushalte ihren eigenen Stromverbrauch messen, steuern und bündeln können, können sie ebenfalls als "Einsparkraftwerk" auftreten. In der Vergangenheit war das eine Idee; heute kann es durch die Erfassung von Strom und der intelligenten Steuerung von Haushaltsgeräten Realität werden.
Mini-Stadtwerke und Bilanzkreise
Von jedem Haushalt lässt sich ein sogenanntes "Lastprofil" erstellen, also ein Profil, wieviel Stromleistung ein Haushalt zu einer bestimmten Zeit benötigt. Ein solches Lastprofil wird in Viertelstundentakte eingeteilt und sieht im Grunde so aus wie die Verbrauchskurven, die MioSmart zur Verfügung stellt. Ein Stadtwerk kombiniert nur aus der Vergangenheit eine Vielzahl solcher Lastprofile in der eigenen Stadt und erhält dadurch einen Durchschnittswert pro Haushalt: Morgens bedienen Menschen ihre Kaffeemaschine und den Toaster, nachts sind die meisten Lichter aus. Anhand solcher Durchschnittswerte kann ein Stadtwerk nun festlegen, wie hoch die Stromleistung für verschiedene Zeitpunkte am Tag ist, die von einem Kraftwerk bereitgestellt werden muss, damit die Verbraucher Strom haben. Ein solche rechnerisch abgrenzte Menge an Stromverbrauchern und zur Verfügung stehenden Kraftwerken nennt man "Bilanzkreis". Auch hier gilt: Wenn Menschen ihren Stromverbrauch erfassen und bündeln können und ihn zum Beispiel mit denen ihnen zur Verfügung stehenden Stromkraftwerken (Photovoltaik, Mikro-BHKW, Wind, Biogas usw.) abgleichen, dann verfügen sie über einen eigenen Bilanzkreis.
Stromallmende
Im Mittelalter gab es Wiesen und Weiden, die nicht im Besitz von Einzelnen waren, sondern von einer Gemeinschaft (z.B. einem Dorf) genutzt und gepflegt wurden. Diejenigen, die das gemeinsame Weideland nutzten, bezahlten dafür kein Geld, sondern sorgten für seine Pflege. Klare Regeln und eingeübte Wege der Kommunikation untereinander stellten sicher, dass es gerecht zuging. Solche Allmenden existierten viele Jahrhunderte und noch heute werden manche Bergalmen in den Schweizer Alpen gemeinschaftlich genutzt. Die neuen Internet-Technologien machen es nun möglich, ganz neue Allmenden zu erfinden: Wikipedia oder der weitverbreitete Firefox-Browser sind z.B. sogenannte Wissensallmenden. Das Prinzip lässt sich auch auf die Nutzung von Strom übertragen: Eine Gemeinschaft sorgt dann dafür, dass gemeinschaftlich Strom erzeugt und genutzt wird. Dazu sind selbstorganisierte Mini-Stromkraftwerke (z.B. Schwarmkraftwerke) nötig und ebenso ein gemeinschaftlich ausgehandelte Verfahren, den erzeugten Strom so effizient und zeitlich gut verteilt zu nutzen, dass nur wenig oder gar kein Strom von außen dazugekauft werden muss.